Warum ich Facebook nicht mehr mag (und den ganzen Rest)

Facebook will der interaktive Lebenslauf für seine Benutzer sein. Die gesamte Zeit, von Geburt (Anmeldung, aber das erledigen heutzutage manchmal schon die Eltern) bis zum Ableben will Facebook alles speichern und mir und meinen Kontakten präsentieren.

Die Sache ist nur: das will ich nicht. Ich habe, seit dem dieses Internet den Durchbruch geschafft hat, ein Blog. Das ist mir irgendwann in 2006 mal verloren gegangen, weil ich ein wenig zu viel im Dateisystem gespielt hatte. Parallel hatte ich mir ein „Kotzblog“ angeschafft, in dem ich mich pseudonym über meine Kollegen, Frauen und die gesamte Menschheit ausgekotzt habe, wenn ich sie mal wieder nicht verstanden habe oder sie mir einfach auf die Nerven gingen. Das Kotzblog war für mich ein Ventil, Dinge zu sagen, die man besser keinem ins Gesicht sagt, und über Gemütszustände zu sinnieren, die man besser nicht mit (persönlich) Bekannten thematisiert.

An einem langweiligen Abend surfte ich durch die Reste meines verloren gegangenen, „seriösen“ Blogs per Archive.org und stellte fest: Das Abhandenkommen meiner digitalen Vergangenheit hatte einen sehr angenehmen Effekt. Ich hatte nämlich Dinge vergessen und verdrängt, die es schon beim Schreiben eigentlich nicht Wert waren, weiter betrachtet zu werden! Also löschte ich auch mein Kotzblog, in dem Dinge standen, die im Frust oder in Selbstüberschätzung meine Tastatur in den Äther verließen.

Jetzt kommt Facebook, und will mir all die Parties, zu denen ich nicht gegangen bin, oder die Parties, bei denen ich mir einen faux-pas geleistet habe lebenslang unter die Nase reiben. Wann ich geschrieben habe, dass ich im Hotel sitze und Langeweile habe, oder wenn ich mit Kollegen essen, tanzen & feiern war. Macht man sich den Spaß und klickt das bis zum Ende durch, kommen doch recht viele „Hmm, das habe ich vergessen“-Momente hoch, und wie oben schon beschrieben, nicht nur gute.

Um bei Facebook etwas zu „löschen“ (es wird nicht wirklich gelöscht, nur „unsichtbar gestellt“), muss man für Tweets drei nicht-automatisierbare Klicks PRO Tweet machen, für direkt über Facebook veröffentlichte Statusmeldungen zwei Klicks. Das habe ich die letzten Tage ca. 1.500 Mal getan. Die sozialen Netzwerke machen hier mal wieder deutlich, wie wichtig Ihnen „User-Content“ ist, und dass sie diesen nicht gerne wieder hergeben, sollte man sich das doch mal anders überlegen.

Bei Twitter muss man auf „Delete“ klicken und kann den folgenden Dialog per Leertaste bestätigen, das geht schon einmal schneller. Leider zeigt twitter nicht alle Tweets an, so dass mein Twitter-Profil noch ca. 940 Tweets anzeigt, die ich selbst aber nicht mehr sehen kann.

Xing habe ich, nachdem es versucht, ein Facebook für die arbeitende Bevölkerung zu werden (erinnert sich noch jemand, das Facebook ursprünglich ein Dienst für Studenten war?) auch mal auf das Minimum beschränkt. Geholfen hat hier ein Personalberater, der der Meinung war, ich würde ihm den Namen von Kollegen verraten, wenn er mir zum Dank „ein nettes Abendessen mit meiner Frau“ spendiert (nebenbei: für ein nettes Abendessen mit meiner Frau muss ich ca. zwei Stunden arbeiten, dafür würde ich meinen Arbeitgeber nicht schädigen).

Microsoft will mit Windows-Live irgendwie auch ein Facetwitterbookchattunes werden. Man kann sich zu Facebook und Twitter verbinden, soll seine Kontakte bei Windows Live speichern und bekommt tolle Informationen, welche Musik die Kontakte gerade hören oder ob sie sich den Zeh gebrochen haben. Nur gilt hier wieder: der Nutzen von Diensten, die meine virtuellen Freunde verwalten wollen, nimmt mit deren Zahl gewaltig ab. So kann sich mein Android-Telephon mit allen oben genannten Diensten synchronisieren. Was dazu führt, dass ich „Herta Müller“ aus meinem Telefonbuch löschen will und irgendein Dienst sich weigert, das auch auszuführen, mit dem Ergebnis, dass ihre Kontaktdaten fünfzehn Minuten später wieder im Addressbuch stehen.

Auch hier habe ich mich für die Radikalkur entschieden und alle Kontakte gelöscht. Wer wichtig ist/ mit wem ich sprechen will, wird sich im Laufe der Zeit wieder in meinem Telefonbuch einfinden.

Das ist kein Datenschutz-Rant – ich bin eher Fürsprecher der Spackeria – und mir ist bewußt, dass mit den richtigen Techniken alle meine Äußerungen noch zu finden sind. Da habe ich auch kein Problem mit, schließlich habe ich 99,9% derer vernünftig getätigt, und die Ausreißer, die hat jeder Mal. Mir ist nur wichtig, das ICH den ganzen Kram nicht mehr sehe.

Und noch eines: während ich so mit dem Telefon-getwittert habe, habe ich auch mal Photos versendet. Der Service, wo die liegen, wurde gekauft, filettiert und weiterverkauft, und schließlich liegen meine Photos jetzt bei so ’ner Art „Internet-Payback“. Solcherlei Dinge möchte ich mit meinem Content gar nicht unterstützen – hätte ich meine Timeline nicht aufgeräumt, wüsste ich nicht einmal, das meine Sonnenuntergang-Photos jetzt Aushängeschilder für ein Punkteportal sind.

Twitter werde ich in Zukunft eher retweetend/ lesend nutzen. Facebook wird, wenn ich was schreibe, nach ca. ein Monat wieder gelöscht werden. Mal schauen, was ich mit google+ mache.