Besserwissersoftware

Wenn es in letzter Zeit eines gibt, dass wirklich an meinem Gesundheitszustand durch unangemessene Erhöhung der Stresshormone knabbert, dann ist das Besserwissersoftware.

Das dumme daran ist, dass der Trend stark zu Besserwissersoftware geht. Was ist denn Besserwissersoftware? Nun ja, Programme oder Betriebssystemfunktionen, die besser wissen, was ich wollen will als ich. Windows Vista, Windows 8, iTunes, Oracle VirtualBox, Microsoft Office 2007, 2010 und 2013 sind alles Beispiele für Besserwissersoftware, mal mehr, mal weniger. Um es noch weiter zu verdeutlichen, spreche ich mal ein paar Funktionen dieser Software an.

Windows Vista zum Beispiel priorisiert Programme, die Medien abspielen höher, was vor dem ersten (oder zweiten?) Service Pack dazu führte, dass das Programm keine Daten mehr bekam, weil das Abspielen höher priorisiert war als das Lesen neuer Daten (z.B. aus dem Netz). Interessanterweise hatte ich nie ein Problem damit, dass meine Medienprogramme zu niedrig priorisiert waren – Vista wußte es trotzdem besser.

VirtualBox hat eine eigene Buchhaltung, welches Diskimage an welchem Ort liegt – eine vbox-Datei kann zwar angeben, wo sie meint, dass die Dateien liegen sollen, aber falls VirtualBox diese Datei schon woanders liegen hat, dann wird diese bevorzugt genommen (bzw. man kann die andere nicht hinzufügen). Ich kopiere öfter virtuelle Maschinen zwischen Rechnern hin- und her. Dieses Verhalten kommt mir dabei öfters in die Quere, so dass ich letztendlich jedes Mal die VirtualBox-Konfiguration lösche und neu erstelle. Besserwissersoftware!

GNOME 3.x hat für vieles keine Einstellungsmöglichkeiten mehr, weil User Interface Designer sagen: zuviele Einstellungen machen Stress. Doll, keine Einstellungen machen mehr Stress! So wacht z.B. mein Netbook nicht aus dem Standby auf – ich muss Standby also abstellen. Dafür muss man sich ein „Tweak-Tool“ (sprich: „Supergeheimtippprogramm“) installieren. Am Ende versucht man, so viele Optionen und Funktionen aus dem Sichtbereich wegzuoptimieren, dass man für so simple Sachen wie „ein Programm öffnen“ (falls man die Maus benutzt) a) in die ober linke Ecke fahren, b) in eine Schaltfläche unten rechts klicken, c) auf der rechten Seite scrollen, d) dann in einer Textliste klicken, e) durch einer Liste in der Mitte scrollen und f) final klicken muss. Viel einfacher als (in der Vergangenheit) a) oben links klicken, b) Listeneintrag klicken und c) Programm anklicken.

Evolution (der Mailclient von GNOME) hat auch noch kaum Einstellungen. Ich wollte gerade mal den Timeout einstellen, nach dem eine Mail als gelesen gilt; ich will nicht jede Mail, die ich aus Versehen anklicke oder durch die ich durchklicke als Gelesen markieren. Es gibt natürlich keine Option für. Stattdessen kann ich mich durch sowas wie eine Windows-Registry klicken und wenn ich Glück habe, finde ich eine entsprechende Einstellung.

Damit ist hoffentlich klar geworden, was ich mit Besserwissersoftware meine: man kann versuchen, was man will, die Software schließt entweder Anwenderwünsche von vorne herein aus oder überschreibt sie mit eigenen, aus ihrer Sicht besser passenden Werten. Und das finde ich offen gesprochen zum Kotzen!